Vereinsfahrt Ostsee 2001

von Kai Glanz

Mike und ich wollten uns an dem letzten Wochenende bei Bekannten, die wir in Ägypten kennengelernt hatten, einquartieren und im Kulkwitzer See tauchen. Da die Bekannten (Werner und Wiebke) fast immer im Kulkwitzer tauchen, kamen die beiden auf die glorreiche Idee das Wochenende an der Ostsee zu verbringen und dort zu tauchen. Ich bemühte also das Internet und besorgte uns bei Joachim Warner auf seinem Boot Plätze und Joachim besorgte uns ein Hotel für die 4 Tage - trotzdem alles ausgebucht war. Da hatten wir noch einmal Glück gehabt !

1. Tag

Der erste Tag verlief schon nicht ganz so wie geplant, ich habe das Meer gesehen, bin zum Strand hin und erstmal ins Wasser gefallen. Der erste TG des Tages sollte von Land aus gemacht werden, da das Boot noch vom RTL Team, die dort Unterwasseraufnahmen machten, besetzt war. Der erste Tauchgang vom Katharinenhofer Strand war ein typischer Ostseetauchgang von Land aus. Die maximale Tiefe lag bei 7m und zu sehen gab es nur das übliche für die Ostsee : Muscheln, Seesterne, Einsiedlerkrebse und ein paar Grundeln. Der TG war erwartungsgemäß nicht so toll.

 

Fähre zwischen Puttgarden und Dänemark


Mittags sind wir dann in Burg auf Fehmarn essen gegangen. Mein Essen schmeckte nicht und war glaube ich auch schlecht. Einen Schuhladen habe ich leider auch nicht gefunden und so mußte ich weiterhin mit patschnassen Schuhen herumlaufen. So gegen 16 Uhr haben wir uns dann am Boot eingefunden, haben alles eingeladen und sind dann endlich losgefahren. Auf dem Weg dorthin hatten wir etwas Wellengang und mir wurde noch etwas mehr schlecht als es mir schon von dem Essen war.

Am Wrack angekommen wollten wir eigentlich eine Boje werfen und an der Boje abtauchen. Allerdings war schon ein dänisches Tauchschiff vor Ort, welches eine Boje geworfen hatte und an der wir freundlicheise abtauchen durften. Ich zog also schnell meine Sachen an um von dem Boot herunterzukommen, weil meine Übelkeit inzwischen einen kritischen Zustand annahm.

Joachim machte noch das Briefing, in welcher Lage, Tiefe,Zustand etc. das Wrack ist und ich sprang in die See. Ehe ich mich versah war ich schon 15m weit abgetrieben und mußte heftig mit den Flossen paddeln, um überhaupt gegen die Strömung anzukommen. Ich paddelte was das Zeug hieltum zur Boje der Dänen zu kommen, die inzwischen ca 30m weit entfernt war. Auf der Hälfte des Weges sah ich dann, daß zwischen dem dänischen Boot und der Boje ein Seil gespannt war, welches näher war als die Boje selbst. Ich war körperlich schon fast voll am Ende als ich am Seil ankam. Ich konnte mich mithilfe meiner Arme kaum an dem Seil festhalten - so stark war die Strömung.
Als ich an der Boje ankam war ich kurz davor den Tauchgang abzubrechen. Mike schwamm auch noch so wie ich mit eigener Kraft bis zur Boje und Werner und Wiebke wurden vom Dingi der Dänen netterweise dorthin gebracht, nachdem Werner fast abgesoffen wäre, da er Probleme mit dem Aufblasen des Jackets hatte und die Strömung ihn nach unten gezogen hatte. Nachdem wir dann alle Anfangsprobleme beseitigt hatten ging es dann endlich nach unten zum Wrack der VS-54, ein zum Kanonenboot umgebauter Schlepper, welcher 1942 von einem Torpedotreffer versenkt wurde.

Die Boje der Dänen sollte eigentlich bei 18m direkt auf der obersten Stelle des Wracks liegen. Wir sind bis zum Grund auf ca. 30m getaucht, bei Sichtverhältnissen um die 5m bis 6m und 6 Grad Celsius Wassertempertur -
und sahen erst einmal gar nichts. Nach einigen Minuten Suchen auf der Tiefe sah ich dann das gigantische Schiff vor mir auftauchen.

Sehr beeindruckend kann ich dazu nur sagen. Das Steuerhaus und noch einige andere Eingänge luden zum
hineintauchen ein, was ich beim Steuerhaus auch getan habe. Gerne hätte ich noch die Kombüse gesehen, aber dazu fehlte uns erstens das Reel und zweitens kam die Nullzeit gefährlich nahe und auch die Luft ging aus. Daher konnten wir uns nur einen mehr oder weniger oberflächlichen Eindruck dieses gigantischen Schiffes machen. Sehr schön bewachsen und ein par Dorsche, die sich im Wrack verstecken. Auf dem Bug konnte man noch sehr gut die nachträglich eingebaute Kanone erkennen, die gespenstisch in die Dunkelheit aufragte.

Gott sei Dank war ab 12m Tiefe die Strömung, die uns an der Oberfläche so gebeutelt hatte, so gut wie verschwunden, sodaß wir diesen Tauchgang in Ruhe durchführen und zu Ende bringen konnten und 5 Minuten
Sicherheitsstopp bei 5m einlegen konnten. Unser Skipper hatte derweil das Boot in eine Lage gebracht, so daß uns nach dem Auftauchen die Strömung direkt an das Boot und zur Strömungsleine trieb. Auf dem Boot angekommen war ich nicht mehr in der Lage mich wieder anzuziehen, weil mir inzwischen mehr als nur
schlecht war.

Zusammen mit Werner habe ich dann noch den Anker eingezogen und mir dabei das Ankerseil auf meinem Bauch aufgerollt -  ohne zu bemerken, daß daran noch Fäden von Feuerquallen waren, die mir einen brennenden und roten Bauch bescherten.

Die Rückfahrt dauerte ca. 30 Minuten und direkt nachdem ich von Bord ging mußte ich mich erst einmal (nur mit Handtuch und Mütze bekleidet) übergeben. Danach ging es mir viel, viel besser und die Pechsträhne des Tages hatte von nun an ein Ende. Das Dekobier schmeckte wieder. :-)

 

Flaschentransport . . .


2. Tag

Am zweiten Tag wollten wir uns nochmal das Wrack der VS-54 ansehen. Die Strömungsprognosen besagten, daß wir wesentlich weniger Strömung haben sollten als am Vortag. Die Ostsee glich an diesem Tag einem "Ententeich" (wie Joachim, unser Skipper, so schön sagte) und die Strömungsprognosen stimmten, zu unser aller Freude, tatsächlich ! Kaum Oberflächenströmung und auch keine Strömung am Wrack.

Diesmal warfen wir unsere eigene Tauchboje und sie fiel direkt neben dem Heck auf ca. 30m Tiefe. Dort konnten wir uns davon überzeugen, daß die ca. 3m im Durchmesser großen Schiffsschrauben noch völlig intakt waren, bis auf eine Schicht Algen und Muscheln. Wir tauchten am Heck höher bis wir das Deck erreichten und sahen uns dort erst einmal in Ruhe um. Es waren so einige Heckaufbauten zu sehen und noch vieles andere, was man leider nicht immer richtig erkennen konnte, da das Schiff ja nun schon seit fast 60 Jahren dort auf Grund liegt. Leider war die Sicht noch etwas schlechter als am Vortag und wir beschlossen aufgrund der Sichtverhältnisse nicht ins Wrack hineinzutauchen. Leider holte uns auch bei diesem Tauchgang die Nullzeit (und die Kälte) wieder ein und wir machten uns auf den Rückweg nach oben mit dem obligatorischen 5 minütigen Sicherheitsstopp auf 5m.

Der zweite Tauchgang des Tages sollte zum Schnellboot S-226 (welches im Gegensatz zu S-103 noch einigermaßen intakt ist) gehen. Kurs ins GPS und 35 Minuten später waren wir da. Dort mußten wir Dank einer festen Boje in Form eines blauen Kanisters keinen Anker werfen und konnten uns so schnell fertigmachen zum Abtauchen.

 

Die "Taucher", das Boot


Beim Abtauchen entdeckten wir sehr viele Feuerquallen, was mich vorsichtig werden ließ nach dem Erlebnis am Vortag. Das Schiff hatte sich selbst nach einem Torpedotreffer versenkt - um nicht in die Hände des Feindes zu fallen. Die maximale Tiefe beträgt ca. 20m, was natürlich nach dem ersten tiefen Tauchgang ganz gut war. Leider ist dieses Wrack nicht ganz so gut erhalten wie das von VS-54, aber immer noch gut genug, um einiges zu sehen.

Im Umkreis dieses Wracks gibt es noch sehr viel intakte Munition, wobei man aufpassen muß, weil einige davon scharf sind und explodieren können. Unser Skipper meinte, wenn wir eine 35mm Granate finden, könnten wir sie gefahrlos mitbringen, er bräuchte noch eine als Deko für seinen Schreibtisch. Das Wrack ist wie die VS-54 sehr schön bewachsen. Auch bei diesem Tauchgang haben wir uns darauf beschränkt, um das Wrack herumzutauchen wegen schlechter Sichtverhältnisse.


3. Tag

Tja, an diesem Tag hatten wir Windstärke 4-5 auf der Hinfahrt zur Lidingö, die an diesem Tage auf dem Programm stand, und dort eine sehr starke Strömung. Deswegen haben wir uns darauf geeinigt zur Väring weiterzufahren und dort beide Tauchgänge des Tages zu machen. Als wir dann endlich geankert hatten und Neopren anhatten wurde mir so übel, daß ich den Tauchgang absagen mußte und an Bord blieb, wo ich wegen des starken Wellengangs die Bank, auf der ich lag, demolierte.

Deswegen wird der Tauchgang zur Väring von Mike geschildert. Nach diesem Tauchgang mußten wir leider (oder ich sage lieber einmal Gott sei dank) komplett abbrechen und zum Hafen zurückfahren, da der Wind inzwischen auf 6-7 Windstärken aufgefrischt war und die Wellen auf 2m bis 2,5m Höhe angeschwollen waren. Unser Boot (und wir natürlich auch) wurden ziemlich durchgeschüttelt und tauchte mit dem Bug komplett in die Wellen ein. Ich dachte schon wir kommen gar nicht mehr in den Hafen zurück und saufen ab !

Mike ist dann auf der Rückfahrt auch schlecht geworden und schnappte sich einen Eimer und erbrach dort hinein. Ich saß auf der gegenüberliegenden Seite des Bootes und schaute mir das ganze an, bis Mike mich anschaute und sagte: "Lass einfach laufen"; daraufhin drehte ich mich um und erbrach über die Reling. Jetzt weiss ich was es heißt "sich die Seele aus dem Leib zu kotzen" ! Und außerdem war das dann der Spruch des Tages. :-)

 

Bereit zum Tauchgang


4. und (eigentlich) letztere Tag

An diesem Tag wollten wir uns wegen günstigen Strömungsprognosen noch einmal an die Lidingö wagen. Die Lidingö ist ein 2500 BRT Frachter, der 1941 auf eine Mine gelaufen und dann auf Grund gesunken ist. Das Schiff wurde aber noch einmal geborgen und in einer Werft wieder fit gemacht. Fast genau ein Jahr
später ist die Lidingö an fast derselben Stelle wieder auf eine Mine gelaufen und da hatte man die Schnauze voll und ließ sie liegen mit ihrer Kohlefracht an Bord.

Ich schmiß also unsere Boje wie am Tag vorher von Bord, um unsere Abtauchstelle zu kennzeichnen und kurze Zeit später wurde die Boje aufgrund starker Strömung unter Wasser gezogen. Da mußten wir dann mit dem Anker das Wrack markieren und schmissen den Anker vor den Bug der Lidingö.

Die Lidingö liegt auf maximal 28m und hat eine Wrackhöhe von 8m, ist also schon ziemlich verfallen. Auf der Lidingö konnte man viele Stahltrosse sehen, mit denen wir noch etwas später viel Spaß hatten. Nichtsdestotrotz sahen wir uns auf der Lidingö um, trotz des starken Verfalls gab es viel zu sehen: Übriggebliebene Deckaufbauten, Relingstücke, Bordwandstücke. Leider konnten wir uns auch nur einen kleinen Teil der Lidingö ansehen, da das Schiff ca. 90m lang ist und uns (wieder einmal) die Nullzeit einholte.

Bei der Suche nach dem Anker - wo wir aufsteigen wollten - stellten wir fest, daß sich der Anker losgerissen hatte und wir ihn nicht wiederfanden. Wir beschlossen einen freien Aufstieg zu machen und stiegen auf. Dekostopp auf 5m und nach dem Austauchen war unser Boot ca. 500m weit weg. Also Notfallboje 'raus und hoffen, daß der Skipper in unsere Richtung guckt. Wir versuchten noch vergeblich mit einer dieser Notfallpfeifen auf uns aufmerksam zu machen, aber leider ohne Erfolg.

 

Mike vor dem Tauchgang


Nach einer Weile entdeckte uns unser Skipper glücklicherweise und fischte uns kurze Zeit später wieder auf. Dabei mußte er den Anker vom Boot losmachen und mit einem Fender befestigen. Nachdem wir wieder an Bord waren fuhren wir zurück, um den Fender und den Anker wiederzuholen. Leider hatte sich der Anker bombenfest um eine dieser Stahltrossen von der Lidingö gelegt, so daß Werner wieder heruntertauchte, um den Anker zu lösen. Danach endlich startklar und völlig fertig düsten wir dann wieder zur S-226, um uns dort noch einmal umzusehen.

Bei der S-226 angekommen fiel leider der Fender, den einer von uns (ich will jetzt keine namen nennen *g*)  mit einem 2-fachen Hausfrauenhäkelknoten festgemacht hatte, von Bord. Da mußte dann der sportliche VDST-Taucher Mike ins Wasser, um den schon weit abgetriebenen Fender wiederzuholen.

Nachdem das Problem beseitigt war sahen wir uns (mal wieder) mit starker Strömung konfrontiert, die glücklicherweise unterhalb 10m nur noch etwa halb so stark wie an der Oberfläche war. Dadurch konnten wir uns nun in Ruhe die S-226 noch einmal angucken. Diesmal tauchte ich in einen der Laderäume hinein und fand dort (wahrscheinlich) einen Halter für Lampen, wie sie auf Schiffen gebraucht werden. Dieses Fundstück steht jetzt bei mir zu Hause. Da die Sicht diesmal wesentlich besser war als das letzte Mal, konnte man jetzt das Wrack und seine Ausmaße und Aufbauten wesentlich besser erkennen und sich einen wesentlich beseren Überblick verschaffen.

Abschließend muß ich sagen, daß die Ostsee ein anspruchsvolles Gewässer ist wegen seinen oft wechselnden Wasser- und Wetterbedingungen und ich hätte wahrscheinlich Probleme bekommen, wenn ich nicht regelmäßig in unseren netten Seen tauchen würde und einige der Bedingungen der Ostsee von hier kennen würde. Aber die Wracks sind Spitze und Joachim ein erfahrener und vorsichtiger Taucher und Skipper. Trotz der vielen Pannen waren das sehr schöne Tage und ich werde wahrscheinlich nächstes Jahr wieder einen Törn an die Ostsee machen. Für nähere Infos (wie die Adresse von Joachiam oder Preisen, etc.) einfach anmailen :

Außerdem sind Wiebke, Werner, Mike und ich jetzt stolze Inhaber des Wracktauchbrevets ! :-))))